29. Oktober 2016

Ein Teppich aus Blättern

Was hier so poetisch klingt, ist in Schweden Realität. Noch nie habe ich so einen zauberhaften Herbst erlebt! Auf jeden Fall mag ich mich nicht daran erinnern. Egal wohin man schaut, überall strahlt es gelb-rot-braun. Ja richtig, es strahlt sogar braun. 
Obwohl es anfangs Woche noch den ganzen Tag geregnet hat und kalt war, scheint seit Mittwoch die Sonne und lässt die Blätter noch intensiver strahlen. Man fühlt sich richtig schlecht, wenn man bei diesem Wetter drinnen sitzt. Deshalb habe ich mir an einem Nachmittag eine Karte der Umgebung meiner Gastmutter ausgeliehen und bin mit Kopfhörern und meiner Handykamera bewaffnet in Richtung Wald marschiert. Ohne Plan, einfach mal drauf los. Ich betrat einen Märchenwald und ich fragte mich schon, wo wohl das Lebkuchenhaus der bösen Hexe von Hänsel und Gretel versteckt ist. Die ganze Zeit habe ich niemanden im Wald angetroffen und teilweise war es ein bisschen zu ruhig. Ich konnte die Blätter fallen hören. Mir ist bewusst, dass das wie aus einem Film oder eben einem Märchen klingt, aber ich habe alle Sorgen über Heimweh oder Freunde finden in der Schule oder allgemein über meinen Austausch vergessen und lebte für den Moment. Und wieder wird mir bewusst, wieso ich dieses Abenteuer gestartet habe und wie glücklich ich bin, hier sein zu dürfen. Wie das klingt... (Ich glaube ich war noch nie so emotional wie jetzt, am Anfang von meinem Austausch und mein Kopf explodiert teilweise fast, weil ich so viel über alles nachdenke).





Mein Schulweg
Leider nie so schön wie in der Realität
Der erste Frost begleitet von Minustemperaturen
Ah ja und für alle, die es auf dem Foto noch nicht bemerkt haben, ich habe meine langen Haare endlich abgeschnitten und kann sie nicht mehr zu einem richtigen Pferdeschwanz zusammen binden. Ungefähr einen halben Meter Haare habe ich in der Klippotek (beim Coiffeur) zurückgelassen.

Irgendwie ein trauriger Anblick
Neben vielen Komplimenten von Freunden und Bekannten, habe ich von zu Hause, als ich es ihnen per Facetime präsentiert habe, den Satz gehört: "Tja, lieber kurze Haare als schwanger". Es kann ja nicht immer allen gefallen und jetzt weiss ich auch, wieso ich es ihnen nicht vor dem Schneiden gesagt habe. Aber ich bin stolz auf mich, dass ich es endlich gewagt habe und das gehört nun einfach zu einem Teil meines Austausches!



Am vergangenen Wochenende hatte ich mit allen Austauschschülern von Südschweden ein AFS-Camp in Skillinge (weit unten an der Westküste). Wie immer war es toll, alle wieder zu sehen und wir hatten eine schöne Zeit. Neben Personaltalks mit AFS-Freiwilligen und Spielen, haben wir auch ein altes Schloss besucht, welches 800 Jahre ist. Am Abend haben dann alle noch stolz ihre Nationalhymne (nicht ganz freiwillig) vorgesungen und bis spät in die Nacht geredet. Ich konnte endlich mal wieder Schweizerdeutsch sprechen und ich vermisse es richtig, wenn man sich mit jemandem in seiner Sprache unterhalten kann, es keine Missverständnisse gibt und sogar Witze richtig verstanden werden. Nur blöd, dass niemand bei mir in der Nähe wohnt und die Zug- und Busverbindungen schlecht sind. Aber die Vorstellung, dass man Freunde in der ganzen Welt hat, ist schon krass. Hier einige Einblicke:



Don't move. Don't. Move.


"Komm, wir machen mal Titanic nach"




Gerade macht mir der blaue Himmel draussen ein schlechtes Gewissen. Nun muss ich wirklich noch ein bisschen an die frische Luft. Hejdå!


12. Oktober 2016

25manna

Was für ein Wochenende! 
Meine neue Familie hat neben dem Fussballspielen auch eine zweite Leidenschaft, nämlich Orientierungsläufe. Deshalb haben wir das vergangene Wochenende in Stockholm bei einem Wettkampf mit ihrem Klub, OK Vilse 87, verbracht. Am Freitagmittag ging es los, da ich netterweise für die letzten zwei Schulstunden entschuldigt wurde. Im Car mussten wir 6 Stunden aushalten bis wir dann endlich in unserem Hotel ankamen. Doch mit Kopfhörern, Essen und sogar dem Film Mamma Mia, den wir dabei hatten, ging die Zeit schnell vorbei. In unserer Unterkunft trafen wir noch viele andere OL-Klubs an, welche am kommenden Tag ebenfalls starteten. Der Event bestand aus zwei Tagen bei denen über 250 Klub von Schweden und ich glaube auch Finnland anreisten. Am ersten Tag gab es eine Stafette bei der jeder Klub je nach Grösse eine oder mehrere Teams zusammenstellte. Da bei uns jemand ausfiel und nicht mitkommen konnte, sprang ich ein und rannte ebenfalls eine Strecke. Es war zwar bloss eine kurze und einfache, jedoch bin ich schon nur sehr stolz, dass ich mich alleine im Wald zurechtfand. Es war ja erst mein zweites Mal, dass ich OL machte und erstaunlicherweise war ich nicht mal so langsam. Jeder Klub musste verschiedene Teile der Stafette decken und es gab immer kleine Regeln. Zum Beispiel, dass als erstes eine Frau rennen muss oder dass bei einer Strecke nur Person unter 19 oder über 45 rennen durften. 

Achtung, fertig, ab in den Wald!
Das Gelände war riesig und es hatte unheimlich viele Leute. Alle rannten in ihren Klubjacken und T-Shirts rum und man konnte immer gleich sehen, wohin der jeweilige Läufer gehörte. 
Ich dachte eigentlich, dass ich meine Winterjacke erst im November brauchen würde, doch in Stockholm war es so unglaublich kalt und wir liefen mit Handschuhen, Mütze und 4 Schichten rum und hatten immer noch kalt. 
Ich trug unser Tenü mit ganzem Stolz


Wie der Zufall es so wollte, traf ich sogar ein bekanntes Gesicht aus der Schweiz dort. Siri, ein Mädchen aus meiner Schule ist momentan ebenfalls für ein Jahr in Schweden, genauer gesagt in Eksjö an einem Gymnasium. Sie ist jedoch nicht mit einer Organisation wie ich hier, sondern um hier OL zu machen an einer darauf spezialisierten Schule. 
Ich wusste zwar, dass sie ebenfalls in Stockholm am "25manna" sein würde, jedoch hat es da so viele Menschen gehabt, dass ich sie auch nach Suchen nicht fand. Nachdem ich das zweite Mal vergebens bei ihrem Klubzelt war, habe ich es schon aufgegeben. Doch dann, als ich gerade mit meinem Gastvater und meiner Gastschwester das Gelände verlassen wollte um nach Stockholm ins Zentrum fahren, sah ich ich sie aus dem Augenwinkel ganz kurz. Ich schrie meinem Gastvater ein kurzes "vänta!" (wartet) zu und suchte meinen Weg durch die Massen um zu ihr zu gelangen. Als ich sie dann fand, war ich mir auf einmal überhaupt nicht mehr sicher, ob sie es wirklich war und stupste sie vorsichtig von hinten an. Wir konnten gar nicht realisieren, dass wir uns hier in Schweden sehen und es war einfach toll sie zu sehen. 

Ein Beweis-Selfie war natürlich ausserordentlich wichtig!
Von der Stadt haben wir leider nicht sehr viel gesehen, da wir nur ungefähr eine Stunde im Zentrum waren und die haben wir bei der Einkaufstrasse verbracht, wo wir irgendein Laden für meine Gastschwester suchten. Doch was ich gesehen habe, hat mir gefallen und ich hoffe, dass ich mal länger da bin und die Stadt richtig anschauen kann. 

Nicht alle waren gleich motiviert für dieses Foto bei der Central Station
Vor dem Segels torg in Stockholm
Der zweite Tag war dann ein individueller Wettkampf. Eigentlich waren alle für Kategorien angemeldet, aber man kann das auch noch vor Ort nachholen, was ich gemacht habe. Dieses Mal nahm ich ein anderes Level, das schwieriger war. Als ich dann alleine im Wald war, fühlte ich mich teilweise richtig verloren und hilflos. Doch als ich dann ins Ziel kam, war es ein unheimlich gutes Gefühl. Am Schluss wurde ich etwa 5. von 95 in meiner Kategorie. In meinem Klub glaubten sie mir nicht wirklich, dass ich das noch nie zuvor gemacht habe. Ich nehme an, dass die meisten wahrscheinlich jünger waren als ich und ich deshalb so ein gutes Ergebnis hatte, aber was soll's, es war erst mein drittes Mal :)


Danach ging es wieder im Car 6 Stunden zurück in den Süden. Als ich ankam, habe ich dann noch gemerkt, dass ich eigentlich noch ziemlich viel an einem Bericht in Geschichte hätte schreiben sollen, was ich verdrängt hatte. Und so ging ein sehr aufregendes und langes Wochenende vorbei :)


(man muss mich nicht suchen, ich bin nicht drauf)




5. Oktober 2016

Neubeginn! - für dich Marc

Nun bin ich schon einige Tage bei der neuen Familie und es ist unglaublich toll. Seit ich bei ihnen bin, war mir keine Minute mehr langweilig. Die Eltern kümmern sich sehr um mich und sprechen extra schön langsam mit mir, damit ich es auch verstehe. Mit den Geschwistern ist es noch ein bisschen angespannt, da wir noch ein bisschen scheu zueinander sind. Doch ich denke, es wäre aussergewöhnlich, wenn wir das am Anfang nicht wären.

Alles bereit für den grossen Umzug zur neuen Familie jedoch nur 5 km entfernt
Nachdem ich am Freitag mit Tasche, Cello und Velo bei ihnen einzog, haben sie mir "die atemberaubende Metropole Jämshög" (Einwohnerzahl: 1600) gezeigt. Es ist zwar nicht mehr so gross wie Olofström, dafür schön übersichtlich. Am nächsten Tag habe ich meinen ersten OL bestritten. Sie sind eine richtige Orientierungslauf-Familie und gehen oft an Wettkämpfe. Es hat riesig Spass gemacht und ich war nicht mal so schlecht. Währenddem habe ich den farbigen Wald bestaunt. Herbst in der Schweiz mag ich ja schon, aber in Schweden ist er einfach wie in einem Märchen, wunderschön. 
Ich glaube es gibt nichts, dass mehr schwedisch ist, als an einem Sonntag in die Ikea zu fahren. Da in meinem Zimmer nichts ausser einem Nachttisch und einem Bett stand, haben wir mir in der Ikea Sachen gekauft, um mein Zimmer ein bisschen heimelig zu machen. Immerhin wohne ich ja nun für etwa 9 Monate hier. Ich konnte alles so einrichten, wie ich es wollte und ich bin richtig stolz auf mein innenarchitektonisches Können. Es sieht richtig gemütlich aus.

Seit dieser Woche bin ich in einer Theatergruppe in Karlshamn mit 15 Gleichaltrigen. Eigentlich ist es sehr schwierig, in eine solche Gruppe zu kommen und es gibt sogar eine Warteliste, damit man einen Platz bekommt, aber ich glaube, die haben mich genommen, weil ich eine Austauschschülerin bin und nur ein Jahr hier bin. Wir proben für ein Stück, das "Bortom Upproret" heisst und es ist geplant, es im April aufzuführen. Bis jetzt habe ich zwar noch keine Rolle, aber der Leiter schreibt mir eine. Wahrscheinlich nicht mit soviel Text wie die anderen aber das ist mir ganz recht. Ich freue mich einfach ein Teil der Gruppe zu sein!


Leider muss ich sagen, dass es in der Schule immer noch schwierig ist für mich, richtige Freunde zu finden. Ich frage mich, wieso ich Anschluss finde bei den Leuten im Theater oder Orchester, jedoch nicht mit denen aus der Schule. 

Sie sind zwar nett und reden auch mit mir, aber in der Freizeit, habe ich bis jetzt noch nie etwas mit jemandem gemacht. Die meisten haben nach der Schule Training oder gehen gleich nach Hause, weil sie wenige Busse haben und in irgendwo im Wald wohnen. Das erschwert das Ganze noch. Ich fühle mich immer noch ein bisschen verloren in der Schule und wie ein Outsider. Im Moment vermisse ich meine Schule sehr, wo alles in einer Sprache ist, die ich verstehe und wo ich mit meinen Freunden herumblödeln kann. Normalerweise gehe ich gern in die Schule aber hier muss ich mich immer wieder selber motivieren. Aber am meisten hasse ich die Momente, wo ich einfach die Austauschschülerin bin, die nicht so gut schwedisch spricht und man es deshalb auf English sagen muss. Dann fühle ich mich immer so dumm und hilflos, was ich eigentlich überhaupt nicht bin. Oft passiert das beim Einkaufen und ich mich versehentlich bei der falschen Kasse anstelle oder wenn mich jemand auf der Strasse etwas fragt und ich überhaupt nichts verstehe.
Aber es gibt auch immer wieder sehr positive Augenblicke, wo ich alles verstehe und sogar antworten kann. Wenn man von jemandem ein Kompliment bekommt, wie gut man schon Schwedisch kann für 7 Wochen, ist das eine unbeschreibliche Motivation um mehr zu lernen! Und so habe ich heute Abend gleich noch ein bisschen schwedische Satzstellung gelernt :)

Herbstsonne - herrlich!
Wichtig: Am 4. Oktober war der offizielle Tag der Zimtschnecke
Ich hatte etwa drei Stück :)

Nächstes Wochenende geht es nach (Trommelwirbel bitte) Stockholm! Meine Gastgeschwister haben dort einen Wettkampf und ich glaube ich werde auch in einer Stafette rennen. Man kommt nicht so oft in die Hauptstadt, da die Reise 6 - 7 Stunden dauert. Ich hoffe, ich kann nebenbei auch ein bisschen die Stadt anschauen. Es soll traumhaft schön sein!